Interview mit Dirk Wüstenberg: Der allgemeine Verzehr von Fisch

Erfahren Sie, wo am meisten Fisch pro Kopf verspeist wird, lernen Sie die Top-3-Fischsorten kennen und staunen Sie über das Verhältnis von Eigenproduktion und Fischimporten nach Deutschland.

Die Nahrung der Welt

Handelshof: Herr Wüstenberg, welches Land der Welt verspeist pro Kopf wohl den meisten Fisch?

Dirk Wüstenberg: Das wird Sie wahrscheinlich ein bisschen überraschen. Raten Sie doch mal!

HH: Wenn Sie das schon so sagen, liege ich bestimmt daneben – aber ich hätte jetzt auf Asien getippt. Japan oder China, vielleicht.

D.W.: Und damit sind Sie ganz sicher nicht allein. Ich kann's ja mal ein bisschen spannender machen.

HH: Dann los!

D.W.: Also, in Ungarn oder der Tschechischen Republik zum Beispiel liegt der Pro-Kopf-Verzehr bei sehr mageren etwa 5 Kilo pro Jahr. Fanggewicht, wohlgemerkt, also Tiere mit allem Drum und Dran. Ihr China kommt auf knapp unter 40 Kilogramm und selbst in Japan sind es nur ungefähr 45 Kilo. Der Weltdurchschnitt beträgt übrigens knapp 20 Kilo pro Kopf pro Jahr. Und da sind alle Fischprodukte mitgerechnet, vom Fischstäbchen über Fischburger bis hin zum TK-Bordelaise-Produkt beim Discounter.

HH: Auch Schalen- und Krustentiere und alles andere?

D.W.: Ja. Sogar Algen zählen mit, sofern sie zum Verzehr geerntet werden.

HH: Das erscheint mir jetzt nicht unbedingt viel.

D.W.: Dann werden Sie mit dem Weltmeister zufrieden sein. Island!

HH: Irgendwie naheliegend, wäre ich aber echt nicht drauf gekommen.

D.W.: Relativ wenige Einwohner essen relativ viel Fisch – und schon steigt der Pro-Kopf-Verzehr. In Island auf sage und schreibe 90 Kilo pro Person.

HH: Uff.

D.W.: Allerdings. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der durchschnittliche Fleischkonsum bei 60 Kilo.

HH: Danke für's Stichwort. Wie viel Fisch kommt denn in Deutschland auf den Teller?

D.W.: Auch hier wieder alles zusammen genommen, also Meeres- und Süßwasserfisch und Fisch aus Aquakulturen und Schalen- und Krustentiere, liegen wir in Deutschland bei ungefähr 15 Kilo, Tendenz leicht steigend.

HH: 25 % unterm Weltdurchschnitt…

D.W.: Stimmt, aber die Tendenz steigt eben auch an.

HH: Ich gehe mal davon aus, dass Seefisch die Nase vorne hat, oder?

D.W.: Ja, sehr deutlich sogar. Von den knapp 15 Kilo stammen etwa 9 Kilo aus dem Meer, 4 aus Süßwasser und ca. 2 Kilo kommen von Krebs- und Weichtieren.

HH: Sie kennen meine nächste Frage, nehme ich an…?

D.W.: (schmunzelt): Lachs, Alaska Seelachs – der ist übrigens gar kein Lachs, sondern ein Pazifischer- oder Alaska-Pollack aus der Familie der Dorschartigen – Hering, Thunfisch. Danach – weit abgeschlagen - Forelle, Kabeljau und Welsartige.

HH: Stellt sich die Frage, wo der ganze Fisch herkommt. Doch sicher nicht von Deutschlands Küsten.

D.W.: Klar kommt der nicht aus unseren Gewässern, das zeigt sich ja schon am ALASKA-Pollack.

HH: Also?

D.W.: Also wird importiert. Und zwar im großen Stil.

HH: Wie groß ist dieser Stil denn so?

D.W.: Die ganz aktuellen Zahlen habe ich noch nicht, aber sagen wir mal, dass von den 2,2 Millionen Tonnen, die wir in Deutschland in etwa verbrauchen …

HH: Millionen TONNEN?

D.W.: Was haben Sie denn gedacht? Eierbecher?

HH: Nein, 'tschuldigung, aber in solchen Dimensionen kann ich kaum denken.

D.W.: Klar, ist ja auch auch ne Menge. Also von den ca. 2,2 Millionen Tonnen schaffen wir aus eigener Produktion gerade mal um die 300.000 Tonnen. Der Rest, also um die 1,9 Millionen Tonnen wird aus aller Welt importiert.

HH: Noch mal uff.

D.W.: Ja, das ist einiges.

HH: Jetzt mal zum Handelshof als Fischhändler.

D.W.: Ja, bitte?

Steckbrief

Dirk Wüstenberg, Jahrgang 1964, hat sein ganzes Leben mit Fischen und Fischereiprodukten zugebracht. Schon als 16-Jähriger jobbte er in einer Räucherei, und auch später hat ihn sein beruflicher Werdegang durch so ziemlich alle Stationen geführt, die in Deutschland mit Fisch zu tun haben. Seit 2007 leitet er die Warengruppe Frischfisch und TK-Fisch Großpackung beim Handelshof. Dirk Wüstenberg betreut in 18 Filialen ca. 55 Mitarbeiter, die meisten davon sind ausgebildete Köche.

In seiner Freizeit sucht er gerne die Nähe zum Wasser (wobei ihm das Meer lieber ist als ein See) und liest ein gutes Buch. Kein Wunder übrigens, dass seine Lieblingsspeise Fisch ist: eine ganze Seezunge, gebraten, mit einem Stückgewicht um die 500 Gramm.

HH: Was schlagen Sie denn so um?

D.W.: Pro Jahr?

HH: Warum nicht? Dann ist der Marktvergleich einfacher.

D.W.: Nicht besonders viel, aber wir sind ja auch eher für Frische, Qualität und Vielfalt zuständig.

HH: Raus damit!

D.W. (schmunzelt): Vielleicht fangen wir mit dem Lachs an – der ist ja in Deutschland seit Jahren ein Bestseller. Da handeln wir so um die 300 Tonnen pro Jahr.

HH: Das ist ja praktisch gar nichts! (zwinkert)

D.W.: Sag ich doch – Fisch im Wert von gerade mal 200 Kleinwagen. Peanuts … (zwinkert zurück)

HH: Und insgesamt?

D.W.: Ja, so auf 3800 bis 4000 Tonnen im Jahr kommen wir da schon. Übrigens haben wir den Absatz in den letzten 10 Jahren erheblich steigern können.

HH: Erheblich bedeutet, was genau?

D.W.: Das bedeutet, um ungefähr 25 %.

HH: DAS ist jetzt aber SEHR beachtlich!

D.W.: Ja, aber das kommt eben dabei raus, wenn man Wert auf Qualität und exzellente Beratung legt. Unsere Kunden wissen das wirklich zu schätzen.

HH: Stichwort Qualität: Wie ist denn das Verhältnis von Tiefkühl- und Frischware?

D.W.: Ich habe ja schon mal gesagt, dass TK und Qualität keine Feinde, sondern eher gute Freunde sind – das ist mir nach wie vor wichtig. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Das Verhältnis liegt ziemlich ausgewogen bei 50 : 50.

HH: Und …

D.W.: … und es ist keine Seltenheit, dass ich auch mal eben 50 Tonnen TK-Ware auf einmal ordere, wenn die Qualität und das Angebot stimmt.

HH: Auf die Warendisposition und den eigentlichen Handel wollte ich ohnehin noch zu sprechen kommen, das ist bei Ihnen ja ganz schön ausgefuchst …

D.W.: Ja, aber nur im besten Sinne, wenn’s geht.

HH: Klar. Aber jetzt schwirrt mir erstmal der Kopf von all den Zahlen, Fakten, Kilos und Tonnen.

D.W.: Dann gibt’s jetzt einen netten Kaffee und eine Kleinigkeit dazu. Wie wär’s mit einem Nordseekrabbenbrötchen? Ganz frisch, und wirklich richtig lecker …

HH: Ich glaube, das wäre jetzt genau das Richtige, Herr Wüstenberg.

D.W.: Dann los!

HH: Gleich. Ich habe gerade mal ausgerechnet, dass Sie im Schnitt pro Markt so um die 220 Tonnen Fisch pro Jahr handeln - also durchschnittlich fast 4,3 Tonnen pro Woche pro Markt! Das ist doch unfassbar!

D.W. (lächelt): Finden Sie? Ja, wir machen das nicht ganz schlecht. Aber jetzt gibt’s erstmal zweites Frühstück …

Interview und Redaktion: Joachim van Moll

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