Dinkel

Kann es sein, dass der Dinkel einmal dermaßen bedeutsam war, dass sich ganze Städte nach ihm benannten und auch heute noch seine Ähren im Wappen tragen? Oh ja, kann es. Stimmt es, dass er zu den wenigen Getreidearten zählt, die man noch vor der Vollreife ernten und auch verzehren kann? Klar, das stimmt. Ist es richtig, dass der Dinkel genau genommen alles andere als eine exotische Getreideart ist? Na, was meinen Sie? Hier lernen Sie diesen kleinen landwirtschaftlichen Sonderling näher kennen.

Nomen est omen

Dass manche Dinge verschiedene Namen haben können, ist nicht wirklich neu. Manchmal werden Gegenden, in denen sie häufig vorkommen, gleich mitbeschrieben, manchmal wird die eine oder andere Eigenschaft deutlicher hervorgehoben, manchmal sind es Idiome oder Dialekte, die einen ganz bestimmten Begriff hervorbringen.

Das sogenannte Urgetreide Dinkel macht dabei keine Ausnahme. Wir kennen ihn auch als Spelz, Spelt, Fesen, Vesen oder Schwabenkorn, womit wir schon mitten im Thema sind: In den Ortsnamen Dinkelsbühl, Dinkelscherben und auch Dinkelhausen ist er sozusagen von Natur aus enthalten (und alle drei Orte tragen auch die entsprechenden Ähren im Wappen, was schon einigermaßen aussagekräftig ist), Fessenbach und Fessenheim spielen auf Fesen oder auch Vesen an, und das Flüsschen Speltach schmückt sich mit einer besonderen botanischen Eigenschaft des Dinkels, dem Spelt – dazu weiter unten mehr.

Lokalmatador

Auffällig ist, dass alle diese geografischen Namen mehr oder weniger geballt in Baden, in Württemberg und in Franken zu finden sind, was deutliche Rückschlüsse darauf zulässt, wo sich der Dinkel einer sehr großen Beliebtheit erfreute. Und es ist auch logisch, denn Dinkel gilt als äußerst genügsames Getreide, das wenig Ansprüche an die entsprechenden Ackerböden stellt, ziemlich winterhart und überhaupt recht anspruchslos ist. Kein Wunder, dass er über viele Jahrhunderte zu den am meisten angebauten Getreidesorten in diesen Regionen zählte und die Bevölkerung zuverlässig auch durch Zeiten mit ungünstigen klimatischen Bedingungen und insgesamt schlechten Ernteerträgen brachte.

Frühreif

Seine Erträge fallen zwar in der Regel nicht so üppig aus wie die von anderem Getreide, Dinkel hat aber – neben den schon beschriebenen Eigenschaften – einen Vorteil, der ihn geradezu unverzichtbar machte: Seine Körner lassen sich recht früh im Jahr schon vor der Vollreife und noch grün ernten und verarbeiten, was gerade in schwierigen Jahren ein riesiger Vorteil für die Bauern war. Sie kamen schnell an die enthaltenen Nährstoffe, die das noch junge Korn bereits enthielt (vor allem Stärke und Fette), und hatten so ausreichend Energie zur Verfügung, bevor es an die kräftezehrende Ernte der anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf den Feldern ging.

Brot? Noch nicht.

Zwar konnte man aus dem Grünkern (der nichts anderes als vorzeitig geernteter Dinkel ist) kein Brot backen, da die hierfür erforderlichen Proteine Gliadin und Glutenin(also das, was man landläufig als Gluten bezeichnet) noch nicht ausgebildet waren, als Grütze, als Brei oder in der Suppe machte sich der Grünkern aber ausgezeichnet als zuverlässige Energiequelle. Allerdings brachten die enthaltenen Fette ein gewisses Risiko dafür mit, dass bestimmte Enzyme mit deren Spaltung anfingen, was unweigerlich dazu führte, dass das Grünkorn über die Zeit ranzig und damit ungenießbar wurde. Dörrte man das Getreide jedoch und entzog ihm auf diese Weise sein Wasser (Fachbegriff Darre), machte man die Enzyme unschädlich und das Korn wurde gut lagerfähig.

Lästige kleine Biester

Ein bisschen anstrengen musste man sich also schon, wenn man an die Vorzüge des Dinkels wollte, und in diesem Zusammenhang müssen wir unbedingt kurz über die botanische Konstruktion seiner Ähren sprechen. Im Gegensatz zu modernem Weizen oder Reis (aber genau wie beim Hafer) sind die Getreidekörner beim Dinkel fest mit den Keimling umgebenden, sehr hart getrockneten, kleinen Blättern verbunden, die sich durch einfaches Dreschen nicht ablösen lassen. Und wahrscheinlich haben Sie sich bereits gedacht, dass diese kleinen Blättchen „Spelz“ genannt werden – noch so eine Eigenschaft, die sich in bestimmten Namensvariationen ausdrückt.

Waren die Körner also geerntet und getrocknet, standen die Müller vor der Aufgabe, sozusagen die Spreu vom Dinkel zu trennen, bevor es ans eigentliche Mahlen ging. Und der entsprechende Trick war ganz einfach, wenn man denn mal darauf gekommen war: Im ersten „Unterläuferschälgang“ wurde der Abstand zwischen den Mahlsteinen größer gewählt, damit das Korn von den Spelzen befreit (entspelzt), aber nicht schon zerkleinert wurde. Erst nach diesem Schritt erfolgte das eigentliche Mahlen zu Mehl.

Belässt man das gespelzte (und quasi polierte) Korn im Ganzen, hält man die komplett von allem Nutzlosen befreiten länglichen Körner in Händen, die als „Dinkelreis“ bezeichnet werden und auch wie echter Reis weiterverarbeitet werden können.

Alt, nicht exotisch

Was vielen gar nicht bewusst ist: Dinkel gehört zwar wie Hartweizen, Emmer oder Einkorn zum sogenannten Urgetreide, ist aber genau genommen nichts anderes als ein sehr naher Verwandter des Weichweizens, den die Menschheit seit mindestens 9.000 Jahren kennt. Besonders exotisch ist er demnach nicht und auch seine Beschaffenheit liegt sehr nah an der von Weizen. Er bindet zwar etwas mehr Wasser als Weizen (ca. 30 % gegenüber 24 %) und enthält auch mehr von dem Klebemittel Gliadin und weniger Glutenin, was den Teig geschmeidiger und gut dehnbar, dafür aber weniger formstabil und reißempfindlich macht. Eine elegante Methode, diesem kleinen Problem entgegenzuwirken, ist der Einsatz von etwas Säure in Form von Ascorbinsäure, Acerolakirschpulver oder – noch mal geschickter – der Ansatz mit Sauerteig.

Lecker und auch recht gesund

Dinkel ist also alles andere als glutenfrei, man kann fast sagen, dass er der etwas urtümlichere Bruder des Weizens ist. Gewisse Unterschiede zwischen Dinkel und Weizen hinsichtlich ihres Gehalts an Fett und Fettsäuren, Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen bestehen zwar, jedoch ist fraglich, ob diese Unterschiede über natürliche Schwankungsbreiten hinausgehen und ob sie bei den heute üblichen Verzehrgewohnheiten überhaupt zum Tragen kommen.

Dennoch ist Dinkel ein gutes Getreide mit vielen Mineralstoffen, das uns mit reichlich Vitamin B1, B2, B3 und B6, 2,4 % Fett (wovon nur 0,4 % ungesättigte Fettsäuren sind) und immerhin fast 15 % Proteinen versorgt, was eine ganze Menge ist.

Geschickte Bäcker backen aus Dinkelmehl sehr gutes Brot (Dinkelvollkornbrot war „Brot des Jahres“ 2018), Brötchen und andere Knusperwerke, die sehr gut schmecken sowie mit einer schönen Kruste und einer fluffigen Krume daherkommen (und einen dezenten, aber deutlich wahrnehmbaren nussigen Geschmack haben) – ob das allein die Renaissance dieses Getreides begründet, ist schwer zu sagen.

Bodenfreundlich

Einen großen Vorteil hat der Dinkel aber auf jeden Fall: Er ist von Natur aus sehr zufrieden mit wenig nährstoffreichen Böden, was ziemlich gut ist, da die entsprechenden Anbauflächen mit deutlich weniger Düngung auskommen, als wenn man zum Beispiel Weizen anbauen würde. Im Gegenteil: Dinkel reagiert sogar recht empfindlich auf Stickstoff, was insgesamt gut für Böden und die umgebende Natur der Flächen ist, auf denen er angebaut wird.

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