Wie Getränke lebendig werden: Fermentation
Unter Fermentation versteht man zunächst einmal die mikrobielle Umwandlung organischer Substanzen, ohne dass Sauerstoff im Spiel wäre. Sie gehört zu den ältesten Verfahren in der Lebensmittelverarbeitung und wird seit Jahrtausenden für Brot, Käse, Sauerkraut oder Bier genutzt. Auch in Getränken findet sie statt: Mikroorganismen verwerten Zucker oder andere Kohlenhydrate und bauen sie in Kohlensäure, Alkohol und organische Säuren um. Dadurch verändern sich Geschmack, Nährwert und Haltbarkeit des Ausgangsprodukts.
Die Herstellung eines fermentierten Getränks beginnt fast immer mit einer zuckerhaltigen Flüssigkeit – Tee, Fruchtsaft oder gezuckertes Wasser. Zucker bildet den Nährboden für die Mikroorganismen; ohne Zucker keine Fermentation. Danach wird eine Starterkultur (als flüssiger Ansatz, als feste Kristallstruktur oder als SCOBY, Symbiotic Culture of Bacteria and Yeast) zugegeben und die Wandlungsprozesse können beginnen.
Die wichtigsten Einflussfaktoren sind Temperatur, pH-Wert, Sauerstoffgehalt und Zuckerkonzentration: Jede Mikroorganismengruppe hat ihren eigenen optimalen Bereich, in dem sie aktiv ist. Zu hohe Temperaturen oder ein zu niedriger pH-Wert hemmen das Wachstum, zu viel Zucker verlangsamt den Prozess. In der Praxis bedeutet das, dass ein Fermentationsprozess ein möglichst stabiles Umfeld braucht, wenn er gelingen soll – weder zu kalt noch zu warm, weder zu süß noch zu sauer.
Fermentation ist fast schon Zauberei
Das ist schon faszinierend: Ab jetzt laufen praktisch vollautomatisch zwei aufeinanderfolgende Vorgänge ab. Zuerst einmal bauen die Hefen den Zucker ab bzw. um, wobei Alkohol und Kohlendioxid entstehen – ein Prozess, der sich an der feinen Bläschenbildung und am typischen Gärgeruch erkennen lässt. Anschließend übernehmen Milchsäure- und Essigsäurebakterien die weitere Umwandlung: Sie nutzen den Alkohol (und andere Zwischenprodukte) als Energiequelle und erzeugen daraus organische Säuren. Diese senken den pH-Wert, stabilisieren das Getränk und beenden allmählich die Hefetätigkeit (weil Hefe keine Säure mag).
Diese Arbeitsteilung zwischen Hefen und Bakterien ist das Kernprinzip jeder Fermentation. Sie verläuft in klarer Reihenfolge, ohne dass der Mensch irgendwie eingreifen müsste. Schon frühe Hochkulturen in Asien, Afrika und im Mittelmeerraum nutzten diese Form der Gärung. Sie beobachteten, dass bestimmte Mischungen zu gären begannen, und lernten, wie man diesen Vorgang am besten lenken konnte – über Temperatur, Zeit und nicht zuletzt auch den richtigen Behälter.
Fermentation und Alkoholbildung
Bei jeder Gärung entstehen zwangsläufig geringe Mengen Alkohol. Der Alkoholgehalt liegt bei den meisten fermentierten Getränken – abhängig von der Menge des zugesetzten Zuckers, der Gärdauer und der Temperatur – allerdings unter 0,5 %. In der industriellen Herstellung wird die Gärung durch Kühlung oder Pasteurisierung gestoppt, sobald der gewünschte Geschmack erreicht ist. Dadurch bleiben die Getränke stabil und frei von weiterem „Gärdruck“.
Je nach Ausgangsmaterial, Hefen, Bakterien und Temperatur kann der Prozess wenige Tage bis mehrere Wochen dauern. Ist das gewünschte Verhältnis von Süße und Säure erreicht, kann das Getränk gefiltert oder naturtrüb abgefüllt werden.
Der Unterschied zwischen alkoholischer Gärung und Fermentation
Unter alkoholischer Gärung versteht man den gezielt eingesetzten mikrobiellen Prozess, bei dem Zucker vollständig zu möglichst viel Alkohol und Kohlendioxid umgebaut wird. Diese Form der Gärung ist die Grundlage für Bier, Wein und Spirituosen und unterscheidet sich wesentlich von der Herstellung fermentierter Drinks.
Während bei Wein oder Bier ein möglichst hoher Alkoholgehalt erwünscht ist, wird die mikrobielle Aktivität bei Kombucha, Wasserkefir oder Ginger-Beer rechtzeitig gestoppt (bzw. stoppt von selbst, wenn die Säuren ins Spiel kommen), bevor sich nennenswerte Alkoholmengen bilden können. Die daraus entstehenden Getränke enthalten daher nur Spuren von Alkohol und werden als alkoholfrei eingestuft.
Entscheidend ist also vor allem das Ziel des Prozesses: In der Getränkegärung wird Alkohol erzeugt, in der Fermentation von Kombucha oder Kefir wird er kontrolliert begrenzt.
Die vier beliebtesten und typischsten fermentierten Drinks
- Kombucha entsteht aus gesüßtem Schwarz- oder Grüntee, der mit einer sogenannten SCOBY-Kultur versetzt wird. Das Ergebnis ist ein mild-säuerliches Getränk mit natürlicher Kohlensäure und einer feinen Essignote.
- Wasserkefir wird mit sogenannten Kefirkristallen hergestellt. Diese enthalten eine Mischung aus Hefen und Milchsäurebakterien, die in einer gallertartigen Substanz gebunden sind. Als Nährlösung dient Wasser mit Zucker, Trockenfrüchten und Zitronenscheiben. Nach zwei bis drei Tagen entsteht ein leicht spritziges Getränk mit erfrischender Säure.
- Ginger-Beer nutzt frischen Ingwer und Zuckerwasser als Grundlage. Es entsteht eine milchsauer vergorene Flüssigkeit mit deutlicher Schärfe und geringer Restsüße. Der Name „Beer“ bezieht sich auf die historische Herstellungsweise, nicht auf den Alkoholgehalt.
- Jun-Tea gilt als Variante des Kombuchas. Er wird aus Grüntee und Honig hergestellt und gärt unter denselben Bedingungen, jedoch mit einem anderen Bakterien-Hefe-Verhältnis. Der Geschmack ist feiner und weniger säurebetont, die Fermentation verläuft etwas schneller.
Sind fermentierte Drinks gesund?
Durch Fermentation werden viele Lebensmittel leichter verdaulich. Ein Teil der Kohlenhydrate wird abgebaut, Vitamine und Mineralstoffe können sich verändern und organische Säuren entstehen. Manche fermentierten Drinks enthalten lebende Mikroorganismen, die als probiotisch gelten: Sie können dazu beitragen, das Gleichgewicht der Darmflora zu unterstützen. Diese Wirkung ist jedoch abhängig von der Art der verwendeten Kulturen. Fermentierte Drinks enthalten in der Regel deutlich weniger Zucker als die Ausgangsflüssigkeit und keine zugesetzten Konservierungsstoffe.