Gastrosophie

Folgen Sie uns in den Weltraum, damit wir uns dem nähern können, was Gastrosophie schon einmal nicht ist. Lassen Sie uns dann einen Blick nach Italien werfen, bevor wir uns Gedanken darüber machen, was Ernährung und Essen noch alles sein können und sollten – außer den Hungertod verhindern. Essen ist auch eine Frage der Kultur, der Wertschätzung und der Verantwortlichkeit.

Dem Himmel so nah

Rechnet man die Flugkosten alleine der 37 zum Aufbau erforderlichen Starts und Landungen der Spaceshuttles hinzu, so dürfte das größte und teuerste je von Menschenhand gebaute Konstrukt im Weltall seit Beginn seines Aufbaus, also seit 1998, mittlerweile so ungefähr 150 Milliarden US-Dollar gekostet haben. Mindestens. Nicht schlecht für ein Hotel, das allerhöchstens neun Gästen Platz bietet; normalerweise wohnen und arbeiten nicht mehr als sechs oder sieben Personen an Bord.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die ISS eine wirklich exklusive Behausung ist – allerdings wohl nur, was den Preis angeht, denn Lebensqualität, Komfort und Verpflegung lassen doch sehr zu wünschen übrig: keine Dusche, keine Waschmaschine, kein Wäschetrockner, kein Zimmerservice, ausgesprochen gewöhnungsbedürftige Toiletten und Trinkwasser, das zu ca. 93 % aus recyceltem Urin der Besatzungsmitglieder besteht. Dazu noch ein andauernd hoher Lärmpegel und eine Strahlenbelastung, bei der ein Tag in etwa einem Jahr auf der Erdoberfläche entspricht.

Anstrengend, was?

Dazu kommen eine durchschnittliche Missionslänge von zwei bis drei Monaten und die Tatsache, dass zwei Missionen am Stück eher die Regel denn die Ausnahme sind, sodass man ungefähr sechs Monate auf engstem Raum ohne Schwerkraft, ziemlich umständlich und dann auch noch mit schwindender Knochenmasse zu leben hat. Mindestens zwei Stunden pro Tag Muskelaufbau-, Cardio- und Fitnessprogramm muss jeder Astronaut täglich absolvieren (dies gilt als Teil des bezahlten Arbeitstages) und trotzdem kommen sie bei ihrer Rückkehr geschwächt, butterweich und mit Gummi in den Knien wieder hier an.

So richtig angenehm kann das Ganze also wirklich nicht sein – und lässt sich wohl kaum durch den atemberaubenden Ausblick entschädigen (an dieser Stelle würde wohl jetzt jeder ISS-Astronaut widersprechen, aber das ist durchaus sein/ihr gutes Recht). Sollten Sie also schon immer davon geträumt haben, es Alexander Gerst nachzutun, dann denken Sie vielleicht noch ein zweites Mal darüber nach, ob das wirklich eine so gute Idee ist.

Völlig losgelöst

Wir wissen, was Sie jetzt denken, und Sie haben vollkommen recht: Warum erzählen wir Ihnen das alles, wo doch im Titel etwas von Gastrosophie zu lesen ist?

Wir machen das, weil es ein bisschen so ist wie mit dem Salz: Wollen Sie wissen, zu was es nütze ist und wie es schmeckt, dann kommen Sie am ehesten dahinter, wenn Sie es einmal konsequent aus Ihrer Nahrung streichen. Und genau dieses Beispiel eignet sich hervorragend dazu, zu erklären, was sich hinter dem Begriff „Gastrosophie“ verbirgt, denn so gut wie alle ihre Komponenten finden bei der Ernährung unserer Weltraumwissenschaftler eben einfach nicht statt.

Nehmen wir das Wort auseinander, dann haben wir Gastro, was im Griechischen „Bauch“ bedeutet, und Sophie, abgeleitet vom griechischen Wort Sophia (Σοφία), das für „Weisheit“ steht. Von hier ist es nur ein kleiner Schritt von dieser noch gar nicht so alten Wissenschaft dahin, welche Aspekte der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, der Vermarktung bis zum Konsum – also zum Genuss – zusammenkommen (müssen oder werden oder würden oder sollten), wenn wir über das Essen reden und nachdenken. Das kulturelle, soziale, ethische und historische Feld unserer Ernährung spielt nämlich weit über die rein materielle Tatsache hinaus, dass unser Körper schlichtweg stirbt, wenn wir ihn nicht füttern, eine ganz gewaltige Rolle.

Vereinfacht gesagt beschäftigt sich eine Gastrosophin oder ihr Kollege mit der Wechselwirkung zwischen Ernährung und dem Menschen, aber eben weniger auf einer rein biologisch-medizinischen als auf einer philosophisch-psychologisch-kulturellen Ebene.

Und genau diese Aspekte spielen bei der Ernährung der Besatzung der ISS nur eine äußerst untergeordnete Rolle.

Puh

Im US-amerikanischen Teil der Raumstation ist der größte Teil der Lebensmittel in Plastiktüten vakuumversiegelt oder in Dosen verpackt. Eingekochtes oder Eingemachtes wird durch die Schwerelosigkeit – aus Gründen, die wir gar nicht kennen – als geschmacksreduziert empfunden, sodass bereits auf der Erde durch eine starke Würzung versucht wird, diesen Effekt irgendwie auszugleichen. Erst durch seltene Frachterbesuche oder neue Besatzungen werden wieder neue Lebensmittel geliefert, insbesondere frisches Obst und Gemüse sind auf der Raumstation rar und höchst begehrt.

Zu Zeiten der Mondflüge bekamen die Astronauten nur irgendeinen Brei aus Proteinen, Fetten und Kalorien aus Tüten zum Ausquetschen zu essen, und wenn man ganz ehrlich ist, machen auch die modernen Bordgerichte nicht sehr viel mehr her. Plötzlich träumen unsere Raumstations-Kosmonauten von einer frischen Pizza, die sie im Kreise ihrer Lieben genießen können, von Obstsalat oder von einem Steakhaus-Besuch: Essen ist eben nun einmal mehr, als keinen Hunger zu verspüren, sondern auch eine Frage der Geselligkeit, des Geschmacks, des Genusses, des Kochens, des Aussehens, des Duftes.

„Essen hält Leib und Seele zusammen“. Eben: Leib und Seele – und genau hiermit befasst sich unter anderem die Gastrosophie.

Alles in einem

Auch weil Essen eines der elementarsten Dinge ist, gehört die bewusste Auseinandersetzung mit allen seinen Facetten zur Gastrosophie. Vielleicht etwas bekannter ist die Slow-Food-Bewegung, die Mitte der 1980er-Jahre aus Italien zu uns kam und die nicht nur Aspekte von Saisonalität, Traditionalität und Regionalität in den Fokus stellte, sondern auch die von ethischer Vertretbarkeit, Ökologie, Welternährung, Moral und Politik. Im Grunde ganz ähnlich wie die Gastrosophie, nur etwas weniger theoretisch und/oder philosophisch.

Bekannte Gastrosophen zählten übrigens auch die Darbietung der Speisen mit, ebenso wie Tischsitten und Speisenfolge. Einer von ihnen (Baron Eugen von Vaerst, 1792–1855) ging sogar so weit, drei verschiedene Typen von Essern zu unterscheiden:

  1. Ein Gourmand ist ein „Leckermaul“, das keine Mäßigung kennt (Hauptsache, irgendwie lecker und viel). Heute versteht man darunter allerdings eher den „Liebhaber des Genusses“, ohne ihn dabei negativ zu bewerten.
  2. Der Gourmet ist der Genießer und Kenner pfiffiger Gerichte und Getränke. Er ist auch heute noch der klassisch-typische Feinschmecker.
  3. Der Gastrosoph hingegen genießt bewusst und wählt nur das aus, was seiner Gesundheit und der allgemeinen „Sittlichkeit“ zugutekommt – er ist also nach dieser Definition der gesittete, maßvolle, informierte und so gesehen klügere und sozialere Esser.

Think again

Neben den rein gesundheitlichen Aspekten unserer Ernährung fügt die Gastrosophie also noch das Wissen um die Kultur und Bedeutung einer zeitgemäßen und adäquaten Ernährung(sweise) hinzu, was dazu führen kann, dass man sich neugierig fragt, was Ernährung eigentlich mit und aus einem macht. Auch ohne dass das 150 Milliarden kostet …

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