Surf and Turf

Zugegeben, es ist schon ein bisschen elitär, wenn man Hummer oder feinste Meeresfrüchte auf ein besonders hochwertiges Stück Rindersteak legt, aber erstens muss man auf diese Weise nicht überlegen, wonach einem eher ist, und zweitens – das wird Sie vielleicht überraschen – waren sowohl der Hummer als auch das Steak früher alles andere als exquisite Delikatessen. Hier erfahren Sie mehr dazu:

Komischer Name

Sehr beliebt ist dieses Gericht vor allem im Nordosten der Vereinigten Staaten – besonders an der Küste – und in Australien – hier ebenfalls an der Küste und in der Nähe des Great Barrier Reef (da nennen sie es gerne „Reef and Beef“). Aber haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, warum es so heißt, wie es heißt? Machen wir es kurz, sehen wir uns die beiden Begriffe einzeln an und zählen dann nur noch eins und eins zusammen:

Bei „Turf“ liegen die verwandtschaftlichen Beziehungen mit dem Wort „Torf“ ja mehr oder weniger auf der Hand. Es gab und gibt dem Bodenbelag auf den Rennstrecken beim Pferdesport seinen Namen – und ist sozusagen als sprachlicher diplomatischer Vertreter all dessen zu verstehen, was irgendwie mit Erde oder Boden zu tun hat. So weit, so gut.

„Surf“ dagegen kennen wir irgendwie alle und bringen es mit „Wellenreiten, Surfen“ in Verbindung. Nur: warum? Wieso nennt alle Welt das Abreiten großer Meereswellen am Strand surfen – und was hat das mit einem hochwertigen Abendessen zu tun? Schauen wir kurz ins Wörterbuch und lernen, dass das englische „Surf“ nichts anderes bedeutet als „Brandung“ oder „Gischt“, und sofort wird uns klar, dass „Surf“ ein durchaus wirksames Äquivalent zu so ziemlich allem ist, was aus dem Meer kommt – seien es nun schöne Wellen oder köstliche Meeresfrüchte.

Exklusiv, was?

Surf and Turf also. Typischerweise ein besonders edles, kostspieliges Gericht, das aus möglichst feinem gegrilltem oder gebratenem Fleisch und aus besonders guten gegrillten oder frittierten Meeresfrüchten besteht, namentlich gerne aus Rinderfilet (als Repräsentant für Speisen vom Land, also Turf) und Hummerfleisch (aus dem Meer, also Surf).

Mit dieser Erkenntnis könnte dieser Text auch fast schon zu Ende sein, wenn es da nicht noch ein paar Fakten gäbe, die die Attribute „edel und wertvoll“ noch mal auf den Prüfstand schicken.

Wo wollen wir anfangen? In New York, in Buffalo oder doch lieber in Seattle? Vielleicht in New York, dann setzt die allgemeine Erkenntnis wahrscheinlich am schnellsten ein.

Billo

Zumindest, was das Kulinarische betrifft, war es früher vielleicht keine gar so schlechte Sache, wenn man im New Yorker Knast landete, denn hier kam so gut wie jeden Tag frisch gekochter Hummer auf den Tisch bzw. in die Näpfe (aus heutiger Sicht vollkommen undenkbar!). Hummer kam (und kommt) nämlich an den Küsten vor der Metropole in dermaßen riesigen Mengen vor, dass man ihn – zum Beispiel in der Mitte des 19. Jahrhunderts – einfach so aus dem Wasser ziehen konnte.

Das Fleisch war sehr gesund und nahrhaft, was den Hummer schnell zum wichtigen Nahrungsmittel machte. Und zum billigen Nahrungsmittel, muss man noch anmerken, denn so viele Hummer es auch gab, so schnell verdarb ihr Fleisch nach der Anlandung (weil es noch keine vernünftigen Kühlmöglichkeiten gab). Bei den Gefangenen war das alles ganz einfach: Wasser kochen, Hummer rein, Häftling ernährt, Geld gespart, Feierabend.

Über Hunderte von Jahren war Hummer der Inbegriff des Arme-Leute-Essens, des „Poverty Food“, in den Vereinigten Staaten – nur als Konserve eingekocht ließ er sich irgendwie haltbar machen, sodass sehr viele arme Schlucker in New York Hummer sogar zum Frühstück aßen. Kalt und aus der Dose …

Andersrum

So richtig wertvoll wurde Hummer erst, als es mit der Erfindung von Eisenbahn-Kühlwaggons möglich wurde, die Krustentiere von der Küste auch in sehr weit im Landesinneren liegende Städte zu transportieren, was natürlich erstens ein Heidengeld kostete und zweitens nur relativ selten gemacht wurde. Hummer war also plötzlich total selten und unglaublich teuer, wenn man nicht gerade an der Küste wohnte. Tja.

Genau andersherum sah die Sache beim Rindfleisch aus. Hier gab es im Inneren des Landes Rib Eye, Filet und Rumpsteak in Hülle und Fülle, aber nur in den ganz großen Städten in Küstennähe, die erstens über eigene Bahnhöfe und zweitens über Schlachthäuser verfügten, war frisches Rindfleisch zu bekommen – auch wieder so eine aufwendige und kostspielige Sache.

Weltklasse

Historisch gesehen kombiniert Surf and Turf also billigste Meeresfrüchte mit billigem Fleisch, und beides wurde erst dadurch wertvoll, dass man es sehr weit transportierte. Witzig, oder?

So ist es denn auch kein Wunder – und damit begeben wir uns nach Seattle –, dass es immerhin fast 100 Jahre dauerte, bis sich ein ambitionierter Koch traute, die beiden Hauptzutaten miteinander zu verheiraten (da waren Filet und Hummer schon richtig schön teuer, wenn auch kein bisschen selten) und tapfer auf die Karte des Sky City Restaurant in der „Space Needle“ von Seattle zu setzen. Und um noch einen draufzusetzen, fand das Ganze auch noch im Rahmen der Weltausstellung 1962 statt.

Oh …

Viel mehr Aufmerksamkeit kann man im Grunde ja gar nicht erzeugen, wobei das Ganze zunächst einmal ganz schön nach hinten losging – in Sterns „Enzyklopädie des schlechten Geschmacks“ (Encyclopedia of Bad Taste) wird Surf and Turf nämlich als Inbegriff von kulinarischem Kitsch dargestellt: „Es geht darum […], die hedonistische Extravaganz zu maximieren“, indem die zwei teuersten Gerichte der Speisekarte kombiniert werden, was bedeutet, dass das Gericht nicht aus geschmacklichen Gründen, sondern zur vulgären Selbstdarstellung bestellt würde. Noch mal tja.

Und was ist mit Buffalo? Nun, 1967 wurde dort schließlich die erste Werbeanzeige über Surf and Turf in einem Lokalblatt aufgegeben! Das Ganze ging von dem Restaurant Michael’s House of Steaks aus und bewarb das Gericht als Genuss bei einem ganz normalen Restaurantbesuch – übrigens mit direktem Verweis auf die da immerhin schon fünf Jahre zurückliegende Weltausstellung in Seattle.

Und sonst?

Interessant zu wissen, dass Surf and Turf sowohl an der australischen als auch an der US-Ostküste ein vergleichsweise günstiges Gedeck ist, dass gerne auch Garnelen oder Krabben statt Hummer angeboten werden und dass es, wenn man es vom Wortsinn her angeht, durchaus erlaubt ist, auch Kalb oder Schwein mit Garnelen, Fisch, Langusten oder natürlich auch mit Hummer zu servieren. Boden und Meer eben …

Kenner und Genießer würden Fleisch und Meeresfrucht übrigens nicht gleichzeitig auf die Gabel spießen und in den Mund stecken. Auch wenn der Hummer auf dem Filet liegt, bedeutet das nicht, dass beides zusammen besonders gut schmeckt – das ist meistens der eingeschränkten Tellergröße geschuldet. Also Fleisch und Hummer immer schön getrennt voneinander genießen!

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