Thymian

Wir starten in unserem Text zum Thymian aus guten Gründen zwar bei den alten Pharaonen, aber weil die es eher auf den Duft als auf die Würzkraft des Krautes abgesehen hatten, wenden wir uns dann alsbald der Anwendung in der Küche zu. Thymian ist für die mediterrane und auch die französische Küche absolut unverzichtbar und ganz besonders dankbar, wenn man das eine oder andere bei seiner Anwendung beachtet.

Gute Reise

Wer im alten Ägypten so richtig was auf sich hielt und zum Beispiel Pharao oder ein Top-Beamter war, der kümmerte sich meist schon zu Lebzeiten akribisch um die Zeit nach seinem weltlichen Dasein und bereitete sich umfassend auf die Reise ins Jenseits vor. Und mit „Jenseits“ war nicht nur der Besuch bei den allmächtigen und allgegenwärtigen Göttern gemeint, sondern gleichzeitig natürlich auch die Ewigkeit, also das ewige Leben. Kein Wunder, dass man alles daransetzte, um seine sterbliche Hülle in gutem Zustand zu halten. Schließlich musste sie für das Zusammentreffen mit den Gottheiten ebenso gebührlich sein wie dem unablässig nagenden Zahn der Zeit standhalten.

Expertenwissen

Es reichte also bei Weitem nicht, eine schnöde Beerdigung zu planen und dann stumpf darauf zu hoffen, dass die unsterbliche Seele ihren Weg ins vor das Totengericht fand – man musste den Körper schon auch einigermaßen in Schuss halten bzw. halten lassen. So entwickelte sich über die Zeit nicht nur der besonders nischige Beruf des Mumifizierers oder Einbalsamierers, auch die Techniken, die es einer sterblichen Hülle ermöglichten, möglichst lange nicht zu vergammeln, wurden zur höchsten Perfektion getrieben.

Dabei waren Haut, Muskeln und Knochen im Grunde keine große Herausforderung, weil sie sich recht gut trocknen ließen und auch nicht besonders viel Material enthielten, das sich gerne schnell zersetzt. Viel anspruchsvoller waren die Organe, die in Windeseile das Faulen anfingen und dann das Gesamtprojekt ins Wanken bringen konnten. Die meisten Organe nahmen die antiken Bestattungsexperten also einfach heraus und legten sie rasch in eine ausgeklügelte Lake aus Natron, Ölen und was ihnen sonst noch angemessen erschien. Derart entzogen sie ihnen in möglichst kurzer Zeit viel Wasser, bevor sie sie einwickelten und in hierfür bereitstehende Gefäße – die Kanopen – legten. Damit waren die Eingeweide schon mal reisefertig.

Reine Kopfsache

Viel schwieriger war allerdings die Sache mit dem Gehirn, denn erstens war es natürlich undenkbar, einem wichtigen Gott mit einem großen, hässlichen Loch im Schädel entgegenzutreten oder – noch schlimmer – mit eingeschlagenem Gesicht. Das Hirn musste also unbedingt raus, ohne dass man irgendwelche bleibenden oder zumindest sichtbaren Schäden am Leichnam der edlen Verstorbenen hinterließ.

Die Lösung für dieses Problem war ebenso brachial wie genial: Man schob eine Art Haken durch die Nase in den Schädel und pürierte die Hirnmasse zunächst einmal, bis nicht viel mehr als ein Brei übrig blieb. Danach kippte man eine Mischung aus Zutaten, die die Verwesung deutlich beschleunigten, in das Nasenloch. Nun musste man nur noch ein bisschen warten, bis der Hirn-Matsch eine fließfähige Konsistenz angenommen hatte und sich sodann prima durch die Nase abschöpfen ließ.

Unnötig zu erwähnen, dass aus diesem Grund keine einzige ägyptische Mumie ein Gehirn enthält – und dass der Gestank beim beschriebenen Arbeitsschritt geradezu atemberaubend gewesen sein muss. War die Drecksarbeit aber erst einmal geschafft, wurde das Leben des Einbalsamierers viel angenehmer, weil er Zugriff auf alles hatte, was edel, fein, gut und teuer war. Cannabis, Myrrhe, Zimt sowie Weihrauch kamen reichlich und mit Freude zum Einsatz, um das verbliebene Gewebe damit einzureiben und noch etwas haltbarer zu machen.

Das Innere des Schädels dagegen machte da nicht mit, weil zu einem ordentlichen Verreiben der eher trockenen Zutaten das Nasenloch einfach zu klein war und sich ein Stock, Stab oder Haken nicht vernünftig hin und her bewegen ließ. Für den Kopf brauchte es darum unbedingt fließfähige Öle mit desinfizierenden, fungiziden, antibakteriellen und antiseptischen Eigenschaften, die am allerliebsten auch noch wunderbar duften und dem allgegenwärtigen Gestank zuverlässig entgegenwirken durften.

Kräuterduft pur

Eines der hierfür offenbar in größeren Mengen verwendeten Öle wird heute als Thymol bezeichnet, womit wir die Ekel-Abteilung dieses Textes verlassen können und uns endlich dem wunderbaren Thymian zuwenden. Logisch, dass das Öl nach der Pflanze benannt wurde, gleichzeitig aber kommt es in rauen Mengen im Thymian vor: Die Blätter enthalten bis zu 2,5 % ätherische Öle, von denen das Thymol bis zu stattliche 50 % ausmacht. Die Namensverwandtschaft wäre also auch andersherum absolut berechtigt.

Thymol duftet nicht nur extrem gut und macht zahlreichen Erregern den Garaus, es fördert auch das Abhusten und bewirkt eine zuverlässige Weitung der Bronchien, was für antike Asthmatiker überaus hilfreich gewesen sein dürfte. Nicht zuletzt seines edlen Duftes wegen wurde Thymian gerne verbrannt und den Göttern als Opfer dargebracht; sein Name ist wohl eine Entlehnung des altgriechischen Worts für „Räucherwerk“ oder „Rauchopfer“.

Thymian in der Küche

Wir interessieren uns heute natürlich eher für Thymian in der Küche, und da spielen ganz andere Aspekte die Hauptrolle:

Die Pflanze, der „Echte Thymian“ (Thymus vulgaris, auch Römischer oder Welscher Quendel, Immerkraut, Küchenpolei oder Gartenthymian), stammt aus dem westlichen Mittelmeerraum und ist auch heute noch unter keinen Umständen aus der mediterranen Küche wegzudenken. Die relativ gedrungen wachsende Pflanze hat graugrüne Blätter und meist rosafarbene Blüten und ist als waschechter Lippenblütler ziemlich eng mit Majoran und Oregano verwandt.

Thymian würzt vor allem mediterrane Gerichte wie Eintöpfe oder Suppen, die Beigabe schon eines einzigen Zweigs sorgt für den unverwechselbaren Duft und das besonders angenehme Aroma in zahllosen Speisen und Gerichten. Thymian ist unverzichtbarer Bestandteil eines Bouquet garni, der Fines Herbes und der Herbes de Provence der französischen Küche. Außerdem – und das ist schon deutlich weniger bekannt – ist er als Gewürz unentbehrlich bei der Herstellung von verschiedensten Wurstwaren.

Thymian lässt sich am besten getrocknet verwenden, da sein Geschmack so wesentlich stärker hervortritt. Als Faustformel gilt, dass die Würzkraft von getrocknetem Thymian etwa dreimal so hoch ist wie die von frischem. Sie können aber auch frische Zweige einsetzen, die sich übrigens auch sehr gut einfrieren lassen. Für ein besonders volles Aroma empfiehlt es sich, das (frische) Kraut vor der Verwendung kräftig zu reiben.

Der feine Unterschied

Gerade bei der Verwendung von frischem Thymian ist es eine gute Idee, das Kraut mit Stiel und Stängel möglichst früh an die Speise zu geben und schön lange mitgaren zu lassen. Bei getrocknetem Thymian dagegen sieht die Sache ein bisschen anders aus: Seine aromatische Würzkraft kann bei zu langem Kochen in Schärfe umschlagen, was ja nicht unbedingt der Sinn der Sache ist.

Enthält eine Sorte besonders wenig Thymolöl, dann schmeckt das Kraut streng und man sollte es sehr vorsichtig dosieren. Ansonsten harmoniert der leicht herbe Geschmack mit vielen Gerichten von Fisch bis zu Wild.

Thymian sorgt übrigens auch dafür, dass fette Speisen leichter bekömmlich und länger haltbar werden – womit wir dann doch wieder bei den Mumien wären.

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