Vanille

Vanille zählt seit langer Zeit zu den feinsten und aromatischsten, aber leider auch zu den teuersten Gewürzen. Das ist kein wirkliches Wunder, wenn man sich mal genauer ansieht, wie und vor allem wo die edlen Schoten entstehen. Dass in dem Zusammenhang ein kleines Vögelchen eine große Rolle spielt, kommt dabei zwar ein bisschen überraschend, macht bei genauerer Betrachtung aber absolut Sinn.

Herkunft von Vanille

Hier? Kann gar nicht sein.

Als der renommierte Paläoornithologe Gerald Mayr vom Frankfurter Senckenberg Forschungsinstitut seine Untersuchungen abgeschlossen hatte, staunte er wahrlich nicht schlecht: Die beiden Vogelfossilien, die er in Frauenweiler bei Wiesloch entdeckt hatte, waren nicht nur über 30 Millionen Jahre alt, es handelte sich auch allen Ernstes um Kolibris. Oder zumindest um Vögelchen, die exakt dieselben anatomischen Merkmale aufwiesen, wie es die heutigen Arten tun. Im Grunde wäre das nun keine besonders aufregende Entdeckung gewesen, weil man schließlich ja immer wieder mal auf versteinerte Vorfahren und nahe Anverwandte heutiger Arten stößt, nur – in unseren Breiten kommen Kolibris einfach überhaupt nicht (mehr) vor. Herr Mayr war derart beeindruckt, dass er den beiden einen sehr bezeichnenden Namen verpasste: Eurotrochilus inexpectatus – „unerwarteter europäischer Kolibri“. Dazu weiter unten mehr.

Welt der Wunder

Kolibris sind wahre Wunderwerke der Natur: Die kleinste Art misst von der Schnabelspitze bis zum Ende der Schwanzfeder gerade einmal sechs Zentimeter und die wirklich allergrößte bringt es auf gerade einmal 22 Zentimeter. Ihre Flügel schlagen bis zu 40-mal pro Sekunde und die spezielle Anatomie ihrer Flügel ermöglicht es ihnen, nicht nur auf der Stelle zu schweben, sondern auch rückwärts zu fliegen, was ansonsten kein anderer Vogel kann. Die Zunge ist – gemessen am Körper – extrem lang und bildet an der Spitze eine Art Strohhalm, durch den die Tiere ihre Hauptspeise saugen können: den Nektar aus den Pflanzenblüten.

Ihr Herz schlägt um die 450-mal pro Minute, die Atemfrequenz liegt bei etwa 250, und auch wenn Sie das im Biologieunterricht vielleicht anders gelernt haben: Kein Wirbeltier des Planeten erreicht höhere Geschwindigkeiten. Ein Kolibri im ICE-Modus bringt es auf eine Geschwindigkeit von sagenhaften 385 Körperlängen pro Sekunde (also 27,3 Meter pro Sekunde bzw. 98 Kilometer pro Stunde) und kommt dabei auf Beschleunigungswerte von etwa dem Zehnfachen der Erdbeschleunigung. Zum Vergleich: Der berühmte Wanderfalke schafft es gerade einmal auf 200 Körperlängen pro Sekunde und ein Kampfjet mit dreifacher Schallgeschwindigkeit kommt kaum über 40 Körperlängen hinaus. Kolibris sind unfassbar schnell.

Noch eine Überraschung gibt es bei ihrer Lebenserwartung: Ein Wesen mit derart hochgezüchtetem Stoffwechsel (und einem entsprechend enormen Sauerstoffverbrauch) lebt normalerweise nicht besonders lange; die kleine Spitzmaus zum Beispiel bringt es auf gerade einmal zwei Jahre. Kolibris dagegen erreichen durchaus das biblische Alter von zehn Jahren und mehr.

Wenn es die Bienen nicht tun, dann eben sie

Kolibris gelten als wichtige Pflanzenbestäuber – in manchen Regionen leisten sie dieselbe Arbeit wie Bienen, und damit kommen wir noch mal schnell zu Dr. Mayrs Verwunderung zurück: Sie finden sich ohne jede Ausnahme natürlicherweise vom Süden Alaskas bis Feuerland ausschließlich in Nordamerika, Mittelamerika, Südamerika und der Karibik.

Was uns nach dieser kleinen Entdeckungsreise endlich zur Vanille bringt, denn auch die Aroma-Orchideen-Pflanzen, zu denen die Gewürzvanille zählt, stammen ursprünglich aus Mexiko und Mittelamerika, wo sie in stiller Eintracht und erstaunlicher evolutionärer Symbiose zusammen mit den Kolibris gedeihen: Kolibris zählen zu den Hauptbestäubern der Pflanze.

Schon immer kostbar

Kein Wunder also, dass Vanille schon von den Azteken als Zahlungsmittel akzeptiert wurde und dass ihre Aromen sehr gerne dem durchaus bitter schmeckenden Kakao beigemischt wurden. Logisch auch, dass die spanischen Eroberer genauso begeistert waren und sie exklusiv und im weltweiten Monopol für sich beanspruchten und eifersüchtig hüteten: Auf die illegale Ausfuhr der Vanillepflanze folgte unweigerlich die Todesstrafe.

Erst ab 1810 (also mit der Unabhängigkeit Mexikos) fiel das Monopol und es waren vor allem die geschäftstüchtigen Holländer, die den Anbau der Gewürzvanille nach Java, also nach Indonesien, brachten. Kurz darauf folgten ihnen die Franzosen und machten La Réunion zur Vanilleinsel (die Insel hieß damals übrigens noch Île Bourbon – daher die Bezeichnung Bourbonvanille).

Verarbeitung von Vanille

Blöd gelaufen

Und hier kommen wir wieder zu den Kolibris zurück, denn so schön die Pflanzen auch in den neuen Habitaten wuchsen: Es gab und gibt hier einfach überhaupt keine Kolibris (und sie ließen sich auch nicht künstlich ansiedeln), was die zeitraubende, nervtötende und nicht zuletzt auch ziemlich teure Bestäubung von Hand erforderlich machte und macht. Wenn Sie sich also über die hohen Preise von Vanilleschoten wundern sollten – das ist ganz sicher einer der Hauptgründe hierfür: Die Pflanze war da, aber die Vögel eben nicht.

Viel Arbeit …

Neben Wetterkapriolen, Stürmen und Überschwemmungen, denen die Landwirtschaft immer wieder ausgesetzt ist, liegt der zweite Grund für die hohen und oft ziemlich schwankenden Preise von Vanille auch in ihrer vergleichsweise aufwendigen Aufbereitung: Die bis zu 30 Zentimeter langen Vanilleschoten (botanisch korrekt sind es übrigens Kapselfrüchte und gar keine Schoten) werden kurz vor der Reife geerntet. Die frischen Früchte haben da allerdings noch keineswegs das typische Aroma und den Geschmack des fertigen Produkts; zur Gewinnung der Vanille als hocharomatisches Gewürz müssen die Früchte erst der sogenannten „Schwarzbräunung“, einem recht zeit- und arbeitsintensiven Verfahren, unterzogen werden.

Zunächst werden die Kapselfrüchte blanchiert, also heißwasser- oder wasserdampfbehandelt (bei ca. 65 Grad Celsius). Anschließend folgt eine Fermentation in luftdichten Behältern, bis eine Auskristallisierung feiner Glukosenadeln zu beobachten ist. Dieser Vorgang kann bis zu vier Wochen beanspruchen. Dieses Ausschwitzen ist ein Qualitätsmerkmal und wird gelegentlich imitiert, indem synthetische Vanillinkristalle künstlich auf die Schote aufgesprüht werden. Solche synthetischen Kristalle sind an ihrer völlig gleichmäßigen Verteilung auf der ganzen Schote zu erkennen, während natürliche Kristalle ungleichmäßig verteilt sind. Also Vorsicht: Viel zu hübsch ist meist geschummelt …

… die sich lohnt

Durch die Trocknungs- und Fermentierungsprozesse wandeln sich Vorstufen des Vanillins schließlich in Vanillin, den Hauptaromastoff, um. Gleichzeitig schrumpfen die Fruchtkapseln zu den bekannten schwarzbraun glänzenden Vanillestangen, dem eigentlichen Gewürz. Für den Transport werden die Vanillestangen gebündelt, in Pergamentpapier eingeschlagen und in Zinnbehälter gelegt. Unabhängig von der Sorte und der zu erwartenden Grundqualität sollte eine marktreife Vanillestange immer von elastischer, lederartiger Beschaffenheit sein, also keinesfalls hart und vertrocknet.

Höchstens fünf

Im Grunde werden nur sehr wenige Sorten Vanille angebaut: Die in Afrika (Madagaskar, La Réunion, Mauritius und Komoren) angebaute Bourbonvanille ist aufgrund ihres intensiven und harmonischen Aromas die beliebteste Sorte der Europäer. Die Amerikaner dagegen bevorzugen eher die mexikanische Vanille, die süßer, dezenter und weicher ist. Vanille aus Tahiti (Vanilla tahitensis) und von den Westindischen Inseln (Vanilla pompona) fällt durch ihren starken, blütenartigen Duft auf und enthält dafür weniger Vanillin. Sie wird häufig in der Kosmetikindustrie verwendet. Indonesische Vanille schließlich findet wegen ihres holzig-rauchigen Aromas hauptsächlich in der Parfüm- und Spirituosenindustrie Verwendung.

Produkte aus Vanille

Was was ist – eine kleine Liste für den besseren Überblick

Das Pulver

Der kleine, feine Unterschied: Unter der Bezeichnung Vanillepulver versteht man die gemahlenen Samenkörner der Vanille; es kann alternativ zu Vanilleschoten im Hausgebrauch verwendet werden. Allerdings enthält es durch den technischen Gewinnungsprozess oft wenig bis gar kein Vanillearoma mehr und dient dann lediglich dazu, die bekannten „schwarzen Punkte“ in Produkten mit „echter Vanille“ zu erzeugen.

Gemahlene Vanille, bei der auch die Kapselhülsen mitgemahlen werden, ist dagegen oft sehr viel aromatischer als das Vanillepulver aus den wenig Vanillin enthaltenden Samen.

Die Schoten

Die die Samen umgebende ölige Flüssigkeit innerhalb der Kapsel enthält einen großen Anteil des Aromas und des Geschmacks, was der Grund dafür ist, warum man für eine besonders intensive Aromatisierung der Speisen die Frucht der Länge nach aufschneiden und die Samen nebst dem anhaftenden Öl, also das Mark, herauskratzen sollte.

Als Hauptaromaträger gilt jedoch die Schote (Kapselhülle) selbst. Die darin enthaltenen Aromastoffe können durch Aufkochen oder zumindest Erwärmen in Milch, Sahne oder anderen Flüssigkeiten gewonnen und so zum Beispiel für die Zubereitung einer Vanillesoße nutzbar gemacht werden.

Tipp:

Die abgewaschene und getrocknete Frucht kann, auch wenn das Mark schon fehlt, mehrfach verwendet werden.

Zum Aromatisieren von Zucker (Vanillezucker) genügt es völlig, diesen zusammen mit einer Vanillestange für einige Wochen in einem luftdicht verschlossenen Glas aufzubewahren. Das Glas sollte zur Durchmischung von Zeit zu Zeit geschüttelt werden.

Das Extrakt

Vanilleextrakt, auch Vanilleessenz, ist ein scharf schmeckender flüssiger Auszug von Vanille mit etwa 35 % Ethanol und manchmal etwas Zuckersirup. Reiner Vanilleextrakt, wenn er als solcher gekennzeichnet ist, muss immer aus echten Vanilleschoten extrahiert werden. Er enthält die Aromastoffe der Vanille in hochkonzentrierter Form und ist praktisch unbegrenzt haltbar.

Vanilleextrakt wird vor allem in der industriellen Lebensmittelherstellung verwendet. Die Hersteller von Vanilleextrakt benutzen dabei Vanilleschoten unterschiedlicher Herkunftsorte und Güte, um gleichbleibende Qualitäten zu erzielen und um spezifischen Anforderungen zu entsprechen. So enthält Vanilleeis neben Bourbonvanille auch andere, „strengere“ Vanillesorten als Geschmacksträger.

Der Ersatzstoff

Im Jahr 1874 gelang es den deutschen Chemikern Haarmann und Tiemann, synthetisches Vanillin im industriellen Maßstab zu erzeugen; der Hauptaromastoff Vanillin kann heute synthetisch oder biosynthetisch hergestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass Vanillin auch als „natürliches Aroma“ gekennzeichnet werden darf, wenn es von Bakterien produziert wurde (biosynthetisch). Aus kostengünstigen Rohstoffen hergestelltes Vanillin, aber auch andere Aromastoffe (zum Beispiel Ethylvanillin, Piperonal) haben echte Vanille in Teilen der Lebensmittelindustrie größtenteils verdrängt.

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