Westafrikanische Küche

Sie ist unfassbar reich und vielfältig, lockt mit den schönsten Aromen und Geschmacksrichtungen, kann höllisch scharf und feinwürzig mild sein, bietet die aufregendsten Soßen und Marinaden und ist gleichzeitig im Grunde recht schlicht und ergreifend aufgestellt, was zum Beispiel die Menge der verschiedenen Zutaten oder Gewürze angeht. Werfen wir einen Blick in die westafrikanische Küche!

Welcher Westen?

Da ist eine gesunde Mischung aus Verwirrung und Arroganz: Das, was wir so leichtherzig „Westafrika“ nennen, ist nämlich keineswegs der gesamte westliche Teil des Kontinents, sondern „bloß“ der Teil südwestlich der Zentralsahara bis zum noch weiter südlich gelegenen „Knick“ der Landmasse nach Osten. Also alles ziemlich weit oben auf der Karte und Luftlinie von Nord nach Süd nur so um die 1.800 Kilometer. Ganz Afrika ist allerdings insgesamt ungefähr 8.000 Kilometer lang.

Egal. Wir sprechen über 16 Staaten mit insgesamt ca. 380 Millionen Bewohnern und so ziemlich allen Klimazonen, die der Planet zu bieten hat – wir haben den Atlantik als Meer und äußerst fruchtbare Gegenden im Binnenland. Kein Wunder also, dass es „DIE westafrikanische Küche“ eigentlich nicht gibt. Es kann sie gar nicht geben.

Wohl und Wehe

Je nachdem, wer man war, woher man stammte oder wo man gerade so herkam, war das beschriebene Gebiet eine ganz tolle oder eine furchtbar tragische Sache. Einerseits herrschten die indigenen Völker  erfolgreich über teils riesige Ländereien, trieben Handel und ließen es sich gut gehen, andererseits führten die gute Erreichbarkeit über den Seeweg von Europa aus und auch die Handelsrouten, die sich immer eleganter und effizienter durch die Sahara in den Norden Afrikas und zurück erstreckten, schon bald zu eifersüchtigen Begehrlichkeiten aller möglichen anderen Nationen – eine Tatsache, die mit der sogenannten Kolonialisierung Afrikas einen traurigen Höhepunkt erreichte. Vom Sklavenhandel in Richtung Amerika mal ganz abgesehen …

Kulinarisch sah die Sache allerdings ganz anders aus, denn durch den Handel, die Reisenden und auch durch den kulturellen Austausch erfuhr Westafrika eine sozusagen explosionsartige Bereicherung, was essbare Pflanzen und Gewürze betraf. Zunächst einmal gab die Flora des Landes nämlich eigentlich gar nicht so furchtbar viel her: Hirse, Bohnen, Linsen, Okras, Pfeffer, Sesam, Wildreis und Yams bildeten – zusammen mit Palmen und ihren Erzeugnissen – die Eckpfeiler der Ernährung und wurden durch Fisch, Meeresfrüchte oder Wildfleisch nur ergänzt.

Willkommen, Welt!

Erst mit den Besuchern aus anderen Ländern kamen Reis, Tee, viele Gewürze (Nordafrika), Ananas, Chilis, Erdnüsse, Kakao, Kochbananen, Mais, Maniok und Tomaten (Amerika), Hühner und nicht zuletzt auch Zubereitungsmethoden wie zum Beispiel Currys (mit den Engländern aus Indien) in die Gegend.

Die Idee, Tiere nur zum Zweck des Schlachtens zu mästen, fand man allerdings absurd, sodass diese erst getötet wurden, wenn sich ihre Existenz als brauchbares Nutztier ohnehin dem Ende zuneigte. Auch weil das Fleisch dann entsprechend zäh war, entwickelte Westafrika eine große Vorliebe für Schmorgerichte (z. B. Kédjénou) und Marinaden (z. B. Yassa), die alles schön weich und zart machten. Bei Fisch war das zwar so nicht erforderlich, dennoch entwickelte sich Thieboudienne, ein Gericht aus mariniertem, mit Gemüse gekochtem Fisch auf Reis, zum echten Publikumsliebling.

Ein weiterer Renner war und ist übrigens die Erdnuss, die als Butter, geröstet, gemahlen oder fein gerieben als Soße eine sehr große Rolle in der westafrikanischen Küche spielt (z. B. Domoda, Maafe). Wahrscheinlich gibt es hier mehr Erdnussgerichte als in ganz Asien und Amerika zusammengenommen.

Wohlig, weich und warm

Auf jeden Fall lieben sie hier ihre Suppen, ihre Eintöpfe, ihre Schmorgerichte, ihren Reis, Bohnen (z. B. Moi Moi), die Hirse-, Maniok- (z. B. Fufu, Gari), Mais- (z. B. Kenkey, Banku) und Gemüsebeilagen, denn traditionell spielen Fleisch und Fisch – mit Ausnahme besonderer Anlässe oder Festtage – nicht die größte Rolle bei der Ernährung: Es geht um den Geschmack und die Soßen, den Genuss, um eine möglichst vielfältige Küche und weniger um den Status, weswegen interessant zu wissen ist, dass Essen in Westafrika immer auch ein sehr wichtiges gesellschaftliches Element der Kulturen ist – und somit viel mehr als ein reiner Sättigungsprozess.

Das bei Weitem beliebteste Getränk ist übrigens Tee in allen möglichen Geschmacksrichtungen, was so gesehen umso erstaunlicher ist, weil Westafrika sehr große Mengen an Kaffee und Kakao produziert. Allerdings gehen so gut wie alle Erzeugnisse aus diesem Anbau gnadenlos in den Export. Ansonsten schmecken hier Palmwein, Hirsebier (z. B. Dolo) oder auch Maisbier (z. B. Ahai, Tuei).

Wesentlich weniger

Nur selten würde man in der westafrikanischen Küche auf Gerichte stoßen, die auf Schweinefleisch basieren. Zwar ist die Christianisierung an den Küsten etwas ausgeprägter als im Inneren des Landes, wo – neben zahllosen indigenen Religionen – der islamische Glaube vorherrscht, aber am Meer gibt es eben all den schmackhaften Fisch und jede Menge Meeresfrüchte, sodass auch hier (’tschuldigung) das Schwein keine Sau interessiert …