Frühstück

Kaiser, König, Bettelmann

 

Das Frühstück gilt ja gemeinhin als wichtigste Mahlzeit des Tages, was allerdings nicht unbedingt bedeutet, dass man sich hier den Bauch randvoll schlagen sollte – es sei denn, man hält sich wirklich an die alte Regel und nimmt mittags nur gemäßigte Mengen und abends nur eine Kleinigkeit zu sich, was ja irgendwie auch keiner tut. Aber ein schöner Start in den Tag ist ja auch schon eine gute Sache …

Hart arbeiten

Beine aus Stahl, Hände wie Leder, Arme aus Schiffstau, Rücken, Nacken, Schultern aus Beton: Nennen wir ihn der Einfachheit halber Phil und schauen wir uns an, was er beruflich so machte. Der 22-Jährige arbeitete. Und zwar nicht irgendwie, irgendwo, irgendwas, sondern härter, als wir uns das überhaupt vorstellen können – und unter Bedingungen, die heutzutage schlicht verboten wären. Da ist es fast egal, ob er in den britischen Minen, in der Stahlkocherei, auf der Werft, in den Häfen oder beim Schienenbau seine Knochen hinhielt, viel wichtiger ist zu wissen, dass seine Karriere mit spätestens 40 Jahren zu Ende ging, weil sein Körper nicht mehr mitmachte und er dann kurzerhand durch die nächste Generation jüngerer Phils ersetzt wurde. Und danach? Konnte er mehr oder weniger sehen, wo er blieb. Puh …

Harte Hunde

Die englischen Schienenbauer zum Beispiel galten im viktorianischen Zeitalter weltweit als die stärksten, schnellsten, präzisesten, zielstrebigsten und am besten koordinierten ihrer Art. Sie bauten in Italien, in Frankreich, in Indien, in Afrika und im osmanischen Reich – in Britannien natürlich auch – und genossen neben einem Ruf wie Donnerhall auch die Vorzüge eines durchaus überdurchschnittlichen Einkommens. Sehr wichtiger Teil ihrer täglichen Bezüge waren übrigens die drei bis vier Liter Bier, die sie kostenlos erhielten, um die Knochenarbeit etwas leichter zu nehmen (hicks) und um den immensen Flüssigkeits- und Kalorienverlust auszugleichen, den ihre Arbeit mit sich brachte. Na ja – die Schienen wurden trotzdem alle gerade und wen sollte es dann weiter kümmern. Noch mal puh …

Hart feiern

Logisch, dass man zu Beginn eines typischen Arbeitstages, der so um die 14 Stunden lang war, möglichst viele Kalorien zu sich nehmen musste, denn war man erst mal am Arbeitsplatz, dann gab es so gut wie keinen Nachschub mehr, wenn man das Bier mal beiseitelässt. Erst abends stärkte man sich vielleicht noch mit ein bisschen Tee, Toast und Bohnen, bevor man besinnungslos vor Müdigkeit in die Koje fiel (außer freitags: Da war Zahltag und das musste immer ausgiebig gefeiert werden!).

Harter Tobak

Kalorien also. Möglichst nicht allzu kostspielig, also nicht allzu viel Fleisch, dafür aber Proteine, Fette und Kohlehydrate satt: Das „Full English Breakfast“ war und ist eine Kalorienbombe, die weltweit so ziemlich ihresgleichen suchte (und sucht). Und wenn Sie jetzt glauben, Sie hätten schon einmal ein echtes „Full English“ bei Ihrem letzten Besuch eines Bed and Breakfast genossen, dann seien Sie lieber vorsichtig: Die meisten Varianten dieses Frühstücks werden durchaus an die Gewohnheiten der Touristen angepasst serviert – und auch ein moderner Brite würde ganz gerne auf den einen oder anderen Gang verzichten. Es ist einfach viel zu viel:

Erster Gang: Fruchtsaft, Grapefruit, Pflaumen oder Fruchtkompott. Danach: reichlich Getreidebrei (Porridge) mit Wasser oder Milch, gerne auch salzig. Dann: Baked Beans, Speck, Würstchen, Spiegeleier, Grilltomate, gebratene Champignons – alles so auf einem Teller serviert, dass man den Tellerboden nicht mehr sehen kann. Mancherorts gibt es anstelle des Specks und der Wurst auch Räucherheringe oder gebackenen Kabeljau, so etwas wie gebratene Blutwurst oder auch einen Mix aus Innereien und Getreide.

Das Ganze wird natürlich von Toastbrot begleitet, manchmal auch gerne von in Butter oder Margarine in der Pfanne ausgebackenem Toast – und natürlich von schwarzem Tee. Das war’s dann aber immer noch nicht, denn sozusagen als Nachspeise gibt es noch mehr Toast mit gesalzener Butter und meistens bitterer Zitrusmarmelade. Und noch mehr Tee. Kein Wunder, dass unser Phil und seine Kollegen mit solchem Elan an ihre Arbeit gehen konnten und nicht schon gegen Mittag kollabierten …

Hart chillen

Nun ist das Frühstück in anderen Ländern (lassen wir den Wahnsinn, den die US-Amerikaner „Frühstück“ nennen, an dieser Stelle mal lieber beiseite) natürlich eine wesentlich entspanntere Angelegenheit, in Frankreich oder Spanien tut es ein bisschen Gebäck mit einer Tasse Kaffee, die Niederländer geben sich mit ein paar Crackern, ein bisschen Joghurt, Obst und einem Ei zufrieden, in der Türkei freuen sie sich über etwas Brot mit Oliven, Frischkäse, Tomaten, Gurken und Joghurt und selbst in Australien lassen sie es mit Cornflakes, ein bisschen Toast, Speck und Ei gut sein. In afrikanischen und asiatischen Kulturen ist ein süßes Frühstück übrigens weitgehend unbekannt.

Hart kochen

Und wir? Unser Frühstück besteht mehr oder weniger einheitlich aus Brot oder Brötchen, Butter, Müsli, Marmeladen und Honig, Käse, Wurst, ein bisschen Joghurt, Cornflakes und gerne von Zeit zu Zeit auch einem gekochten Ei. Dazu am liebsten Kaffee oder Tee, Saft oder Milch gehen aber auch.

Hart im Nehmen

Stichwort Getränke: Kräutertee oder ein ähnliches Aufgussgetränk war natürlich schon eine feine Sache, wenn man ein paar Hundert Jahre zurückblickt, allerdings verdrängte der „echte“ Tee den Kräutersud und mit dem 18. Jahrhundert hielt dann auch der Kaffee Einzug in die frühstücklichen Gepflogenheiten des europäischen Kontinents. Zumindest bei denen, die es sich leisten konnten.

Logisch, dass das Ganze in England vollkommen anders aussah: Hier wurde bis in die 1960er-Jahre hinein so gut wie gar kein Kaffee getrunken und ausnahmslos auf Tee gesetzt. Und wenn es wirklich mal um Kaffee ging? Na ja, dann müssen wir leider berichten, dass bis zum Ende des 20. Jahrhunderts 90 % des auf der Insel konsumierten Kaffees grausige Instantprodukte waren – ein Trauma, von dem sich die Bevölkerung nur sehr langsam erholt.

Auf jeden Fall ist es wohl eine ganz gute Idee, auf alkoholische Getränke zum Frühstück zu verzichten, denn zuvor waren es Wein und Bier, die die Menschen gleich zu Beginn des Tages zu sich nahmen.

Harte Zeiten

Effizient und mit voller sprachlicher Klarheit heißt unsere erste Mahlzeit des Tages „Frühstück“, weil es nun mal das erste Stück (Brot) war, das wir uns morgens gönnten. Sehr viel früher nannten wir das Ganze „Morgenbrot“, was ja aufs Gleiche herauslief, aber eine Silbe mehr in Anspruch nahm. War halt nur ein bisschen Brot, was sollte man da schon groß drüber reden? Die Schweden (frukost), die Dänen (morgenmad) und auch die Holländer (ontbijt, also Anbeißen) sehen das ähnlich pragmatisch.

Entschieden mehr Drama hinterliegt dagegen den englischen, französischen und spanischen Bezeichnungen, denn hier sind sie allen Ernstes der Meinung, dass, wenn man die Nacht über nichts zu essen bekommen hat, dieser Zeitraum als Fastenzeit zu betrachten ist, die endlich, endlich mit dem Anbruch des neuen Tages beendet werden kann.

Im Englischen wird das besonders deutlich, weil die Wortbestandteile für „break“ und „fast“ ja quasi auf dem sprachlichen Silbertablett serviert werden. Wer gut Französisch kann, weiß, dass das französische Wort für fasten „jeûner“ lautet, sodass „déjeuner“ Fastenbrechen bedeutet, was aber noch nicht ganz hinhaut, weil hiermit sehr oft das Mittagessen gemeint ist. Um weiteren Unschärfen wirksam entgegenzutreten, ist das Frühstück demnach also das „petit déjeuner“, das kleine Fastenbrechen – was dann wohl durch das spätere anscheinend größere Fastenbrechen weitergeführt wird. Die Franzosen lieben ihr Essen offenbar dermaßen, dass alles, was zwischen den Mahlzeiten liegt, sofort einer Fastenzeit gleichgesetzt werden muss. Na ja.

Harte Fakten

Noch schnell ein paar Worte zu den jeweiligen Bezeichnungen aus der internationalen Gastronomie, damit Sie nicht in die Falle tappen:

  • Das berühmte „Continental Breakfast“ steckt voller Tücke, weil es die sehr einfache Variante ist: Brot/Brötchen, Butter, Marmelade, Heißgetränk. Wer hier also mit großer Opulenz rechnet, wird garantiert enttäuscht, weil das Ganze auch als „einfaches Frühstück“ bezeichnet wird. Der Grund hierfür liegt dabei wahrscheinlich in England, wo ja Kontinentaleuropa als „The Continent“ bezeichnet wird. Wahrscheinlich verbirgt sich hinter dem Begriff also die Warnung, dass man so gut wie gar nichts bekommt, wenn man ein „Continental“ bestellt. Zumindest nicht, wenn man als Messlatte die unfassbaren Mengen anlegt, die unser Phil so gewohnt war.
  • Ein „erweitertes Frühstück“ besteht mindestens aus einem Heißgetränk, einem Fruchtsaft, Obst und einer Auswahl an Brot und Brötchen, Butter, Marmelade, Wurst und Käse. Mancherorts zählt auch ein Ei dazu, in Deutschland allerdings nicht zwingend.
  • Der berühmte „Brunch“ ist ein sogenanntes Kofferwort, das sich aus Breakfast und Lunch zusammensetzt und demnach eher ein Buffet mit einer Mischung aus Frühstück und Mittagessen darstellt.

Harte Entscheidung

Und jetzt wird es mal wirklich richtig deutsch: 2019 schloss sich der Bundesfinanzhof (!) der Auffassung an, dass nach allgemeiner Lebensauffassung (!) in Deutschland Wurst und Käse „integraler Bestandteil“ (!) eines Frühstücks seien – plus mindestens ein Brotaufstrich. Unbelegte Brötchen mit Kaffee stellen aus seiner Sicht kein (!) Frühstück (!) dar. So. Ein für alle Mal geklärt ...

Aber: Warum eigentlich der Bundesfinanzhof? Verdacht auf Spesenbetrug bei Dienstreisenden?

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